Radetzky und der Trachenberger Kriegsplan
von Kurt Anton Mitterer
Friedrich J. Heller von Hellwald veröffentlichte kurz nach dem Tod von Feldmarschall Radetzky im Jahre 1858 eine Abschrift von dessen operativem Konzept für den Feldzug 1813 gegen den Kaiser der Franzosen Napoleon I. und Rheinbund, das mit der geläufigen Bezeichnung „Trachenberger Kriegsplan“ in die Militärgeschichte einging.
Im Salzburger Wehrgeschichtlichen Museum liegt ein handschriftliches Entwurfs- bzw. Arbeitsexemplar dieses einzigartigen historischen Planungsdokuments auf. Die Grundidee zum operativen Vorgehen der alliierten Armeen hatte Feldmarschall-Leutnant Josef W. Radetzky Graf von Radetz (1766-1858), damals Chef des Stabes beim Oberbefehlshaber aller alliierten Armeen, Feldmarschall Karl Fürst Schwarzenberg, schon drei Monate vor dem Kriegseintritt Österreichs entwickelt. Das waren zwei Monate vor der endgültigen Festlegung des gemeinsamen Feldzugs in der Konferenz in Trachenberg/Zmigròd (POL), daher der Name „Trachenberger Kriegsplan“.
Trotz ursprünglicher Bedenken stimmten dem österreichischen Operationsplan alle Verbündeten zu, um sicher zu gehen, dass Österreich nicht im letzten Augenblick die Allianz gegen Napoleon verlassen könnte. Hauptinhalt der Überlegungen war ein getrenntes offensives Vorgehen der Alliierten, verbunden mit einer Zermürbungstaktik. Um in der alles entscheidenden Schlacht siegreich zu sein, musste ein „Maximum an Kraft und zahlenmäßiger Überlegenheit“ sichergestellt werden. Das Operieren von der äußeren Linie aus wurde zugunsten eines zermürbenden „Katz- und Mausspiels“ bewusst in Kauf genommen, bis nach einem Kesseltreiben eine Entscheidungsschlacht mit konzentrisch aufmarschierten, zahlenmäßig weit überlegenen Armeen erfolgversprechend angenommen werden konnte.
Dieser Operationsplan stieß bei den meisten Generälen der Alliierten und bei Zar Alexander I. immer wieder auf Widerspruch. Wo der Plan nicht eingehalten wurde, mussten die Verbündeten prompt Rückschläge hinnehmen. Wo hingegen der Plan eine konsequente Anwendung fand, erlitten die Franzosen starke Verluste.
Radetzkys militärstrategische Ansichten haben sich dann schließlich im Verlauf des Krieges zur Gänze durchgesetzt. Sie gipfelten im alliierten Sieg in der Völkerschlacht bei Leipzig bis zur Eroberung von Paris 1814.
In der vorliegenden Publikationen des Autors wird erstmals besonders auf die schwierigen Abläufe in der Stabsarbeit im alliierten Hauptquartier eingegangen. Die Umsetzung der operativen Idee Radetzkys, im Trachenberger Kriegsplan niedergeschrieben, gestaltete sich bisweilen als äußerst schwierig, da stets auf Befindlichkeiten der Majestäten und neue Vorschläge von deren Berater Rücksicht genommen werden musste. Schließlich gelang es dem Außenminister Metternich immer wieder auf diplomatischen Weg, die Allianz im Sinne Schwarzenbergs und Radetzkys auf Erfolgskurs zu halten.
Am Siege waren also – wie immer nach Erfolgen – viele Staatsmänner und Feldherrn beteiligt, ihre Namen füllen die Geschichtsbücher und unzählige Literatur in aller Herren Ländern. Heute wird auch der Anteil und die Rolle Österreichs wieder mehr auf der Sachebene diskutiert. Dabei kommen dem militärischen Führungsduo Schwarzenberg-Radetzky, inzwischen aufgrund des aktuellen Forschungsstandes sowie der erschlossenen Quellenlage, nun auch die entsprechenden Würdigungen zu.
Ein originales Arbeitsexemplar des Trachenberger Kriegsplans von 1813 aus dem Planungsstab unter der Leitung von Feldmarschall-Leutnant Josef Graf Radetzky. Salzburger Wehrgeschichtliches Museum (SWGM).
Postkarte von Schloss Trachenberg um 1927. Franz Ludwig Fürst von Hatzfeldt zu Trachenberg (1756-1827) stellte das Schloss zur Verfügung für die Verhandlungen der Alliierten. Man beachte die Bilderläuterung am unteren Rand der Postkarte: „Schloss Trachenberg. In diesem Schloss wurde am 12. Juli 1813 der Kriegsplan zur Völkerschlacht bei Leipzig entworfen.“
Handkolorierter Kupferstich K.K. Oesterr. Generalität; Artaria Wien. SWGM.
Alle Jahre finden am Völkerschlachtdenkmal Gedenkfeiern statt. Aufnahme SWGM.
Quellennachweise:
Friedrich Jakob Heller von Hellwald: Der k.k. österreichische Feldmarschall Graf Radetzky. Eine biographische Skizze nach den eigenen Dictaten und der Correspondenz des Feldmarschalls von einem österreichischen Veteranen, Stuttgart, Augsburg 1858.
Friedrich Jakob Heller von Hellwald: Denkschriften militärisch-politischen Inhalts aus dem handschriftlichen Nachlaß des k.k. österreichischen Feldmarschalls Grafen Radetzky, Stuttgart, Augsburg 1858.
Kriegsarchiv Wien (KA), Alte Feldakten (AFA) 1813/Deutschland-Hauptarmee (Dtld-HA)/VII/38, 80;
Salzburger Wehrgeschichtliches Museum (SWGM)/Archiv für Nachlässe von Militärpersonen (ANM)1813, S. 1 – 8.
Literatur:
Oskar Regele: Feldmarschall Radetzky. Leben – Leistung – Erbe, Wien, München 1957.
Kurt Peball: Zum Kriegsbild der österreichischen Armee und seiner geschichtlichen Bedeutung in den Kriegen gegen die Französische Revolution und Napoleon I. in den Jahren von 1792 bis 1815, in: Napoleon I. und das Militärwesen seiner Zeit, hrsg. von Wolfgang von Groote und Klaus-Jürgen Müller, Freiburg i. B. 1968.
Kurt Anton Mitterer: 1813: Kampf um Europa, in: Forum Salzburger Volkskultur, Salzburg 2013, S. 89 – 97. ISSN 1563-2881.
Kurt Anton Mitterer: Die Rolle Österreichs im Feldzug 1813 – „Die für Europas Freiheit kämpfenden Scharen …“, in: 1813 – Kampf für Europa. Die Österreicher in der Völkerschlacht bei Leipzig, Festschrift anlässlich der Ausstellung des Salzburger Wehrgeschichtlichen Museums zum 200. Jahrestag zur Völkerschlacht bei Leipzig im Schloss Markkleeberg bei Leipzig, Dresden, Markkleeberg 2013. ISBN 978-3-00-041818-1.
Kurt Anton Mitterer: Der Trachenberger Kriegsplan, in: Zeitschrift Truppendienst. Zeitschrift für Ausbildung, Führung und Einsatz im Österreichischen Bundesheer – Folge 335, Ausgabe 5/2013, Wien 2013.
Kurt Anton Mitterer: Radetzky und der Trachenberger Kriegsplan von 1813, in: Pallasch, Zeitschrift für Militärgeschichte – Organ der Österreichischen Gesellschaft für Heereskunde, Bd. 70, Salzburg 2019. ISBN 978-3-902721-70-9.